Pro Retina-Stiftung – Jahresbericht 2019

1. Organe der Stiftung

Am 21. Mai 2016 wurden die Organe der Stiftung durch die Delegiertenversammlung der Pro Retina Deutschland e.V. für die Jahre 2017 bis 2020 neu besetzt.

Dem Vorstand gehören folgende Personen an:

  • Maria Kretschmer, Dachau, Vorsitzende
  • Franz Badura, Amberg, stellvertretender Vorsitzender
  • Prof. Dr. Karl-Josef Gundermann, Köln
  • Helma Gusseck, Bonn
  • Günter Kretschmer, Dachau

Dem Stiftungsrat gehören folgende Personen an:

  • Prof. Dr. Helmut Papp, Leipzig (Vorsitzender)
  • Dr. Jürgen Mertes, St. Augustin (stellvertretender Vorsitzender seit 18.06.2019)
  • Gerhard Hedderich, Laatzen, bis Juni 2019
  • Dr. Karin Langhammer, Holzkirchen
  • Dr. Rainald von Gizycki, Bad Nauheim
  • Prof. Dr. Reto Weiler, Oldenburg

2. Tätigkeitsbericht des Vorstandes

2.1. Bericht über die Forschungsförderung

Gemäß dem in der Satzung festgelegten Zweck der Stiftung, die Wissenschaft und Forschung auf dem Gebiet der Netzhautdegenerationen zu fördern, hat die Stiftung im Jahre 2019 mit einer Gesamtsumme von rund 200.000 € folgende Aktivitäten durchgeführt: Es wurden zu den bereits laufenden Stipendien und Projekten ein Promotionsstipendium in Köln neu vergeben, fünf Projekte an den Universitäten München und Tübingen bewilligt, zwei Forschungspreise verliehen, fünf Kongressreisen bezuschusst sowie drei Kleinprojekte an den Universitäten Münster und Tübingen bewilligt. Wie in jedem Jahr hat die Stiftung ein Kolloquium für junge Forscher in Potsdam ausgerichtet.

Im  Einzelnen sind dies folgende Aktivitäten: 

2.2. Promotionsstipendien

Neben den noch laufenden, bewilligten Promotionsstipendien wurde ein weiteres  Promotionsstipendium in Köln neu vergeben.

Universitätsklinik Köln, Lehrstuhl für Experimentelle Immunologie des Auges, Prof. Dr. rer. nat. Thomas Langmann, Nils Laudenberg: „Mikroglia-Modulation durch Colony stimulating factor 1 (Csf1) receptor blockade im Lichtschadensmodell retinaler Degeneration“

Die altersabhängige Makuladegeneration (AMD) ist eine der Hauptursachen für Sehbehinderung bei älteren Menschen in Industrieländern. Die pathophysiologischen Vorgänge bei der Entstehung der AMD sind nur unzureichend aufgeklärt. Allerdings haben genomweite Assoziationsstudien in Fall-/Kontrollkohorten und in situ-Analysen an AMD Spenderaugen sowie entsprechende Tiermodelle gezeigt, dass eine Fehlregulation der angeborenen Immunität im Auge einen wichtigen Aspekt zur Krankheitsentstehung beiträgt. Durch den Einsatz von experimentellen und genetischen Mausmodellen haben wir in Vorarbeiten eine mögliche pathogene Rolle von Mikroglia und Makrophagen in der Netzhaut festgestellt. Im vorliegenden Projekt haben wir das Ziel, die Wirkung eines neuen oralen colony stimulating factor 1 (Csf1) Rezeptor Antagonisten (PLX5622) auf die Immunzellreaktivität sowie das Überleben von Netzhautzellen im Lichtschadenmodell der Netzhautdegeneration zu studieren. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden neue Einblicke in die immunbedingten Ursachen von AMD und anderen degenerativen Netzhauterkrankungen liefern und können die Entwicklung neuartiger immunmodulatorischer Behandlungsmöglichkeiten vorantreiben.

2.3. Kleinprojekte

Folgende Kleinprojekte wurden bewilligt:

2.3.1 Universitätsklinikum Münster, Klinik für Augenheilkunde, Pieter Nelis: „Neurovaskuläre Kopplung bei Patienten mit Retinopathia Pigmentosa“

2.3.2 Universität Tübingen, Institut für Ophthalmologische Forschung, Prof. Dr. Francois Paquet-Durand, Peter Jenisch: „Kombinationstherapie mit Mycophenolat bei erblichen degenerativen Retinaerkrankungen“

2.3.3 Universität Tübingen, Forschungseinheit für visuelle Rehabilitation, Department für Augenheilkunde Prof. Dr. Susanne Trauzettel-Klosinski: „Weiterentwicklung von Software-Trainingsprogrammen für Patienten mit zentralem Gesichtsfeldausfall, speziell bei Morbus Stargardt und altersbedingter Makuladegeneration“

2.4. Projekte

2.4.1 Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für Physiologische Genomik Prof. Dr. Antje Grosche, Lew Kaplan: „Identifikation von Transkriptionsfaktoren, die den funktionellen Phänotyp von zapfenassoziierten Müllerzellen der humanen Retina prägen“ 

Eine Besonderheit der humanen Retina ist die Fovea — der zentralste Anteil der Makula mit grubenartiger Morphologie, der nahezu ausschließlich Zapfen und Müllerzellen beherbergt. Die Fovea ist essentiell für das Scharf- bzw. Farbsehen, weshalb die Degeneration dieses Retinabereichs besonders gravierend für Betroffene ist. Aktuelle Studien konzentrieren sich auf Photorezeptoren oder das retinale Pigmentepithel, so dass die Rolle der fovealen Müllerzellen für Pathologien unklar bleibt. Unsere Hypothese ist, dass Müllerzellen aufgrund der regionalen Unterschiede des Retinagewebes bezüglich seiner zellulären Zusammensetzung und Morphologie unterschiedlichen Anforderungen gerecht werden müssen. Wir planen unsere vorhandenen Proteinexpressionsdaten humaner Müllerzellen mit den im Projekt erhobenen single cell RNA-Transkriptionsprofilen peripherer und zentraler Müllerzellen zu kombinieren. So wollen wir Genexpressionsunterschiede aufzeigen und Transkriptionsfaktoren identifizieren, die in zapfenassoziierten (zentralen) und primär stäbchenassoziierten (peripheren) Müllerzellen differentiell exprimiert werden und durch Modulation von Genenetzwerken Einfluss auf den funktionellen Phänotyp von Müllerzellen haben. Die Validierung von Kandidaten soll mittels Chromatin-Immunoprezipitation-Sequenzierung (ChIP-Seq), STED-Mikroskopie, Western Blot und qPCR an Spendergewebe sowie in einem cone-only Mausmodell (d.h. eine Mauslinie, deren Photorezeptoren ausschließlich Zapfen sind) erfolgen. Zudem soll durch Genüberexpression bzw. Repression deren spezifische Funktion in organotypischen Retinakulturen untersucht werden. Erkenntnisse aus unserem Projekt zur spezifischen Müllerzell-Zapfen-Interaktion werden zum Verständnis verschiedener makulärer Netzhauterkrankungen wie der altersbedingten Makuladegeneration beitragen. Somit könnten möglicherweise Müllerzellen als neues Therapieziel zur Behandlung von Makuladegenerationen etabliert werden. Konkrete gentherapeutische Behandlungsansätze sollen in einem DFG-Folgeantrag geprüft werden.

2.4.2 Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Forschungsinstitut für Augenheilkunde Prof. Dr. rer. nat. Karsten Boldt: „Analyse der Funktion und Dysfunktion von Lebercilin in der Entstehung der Leberschen kongenitalen Amaurose“

Die Lebersche kongenitale Amaurose (LCA) ist eine frühkindliche, hereditäre Erkrankung, die schon im ersten Lebensjahr zur schweren Beeinträchtigung des Sehens oder zur Erblindung führt. Sie wird häufig durch Mutationen in Genen verursacht, welche für die Ausbildung oder die Funktion des Ziliums nötig sind. Eine Fehlfunktion dieses Organells führt unter anderem zur Missbildung der Photorezeptoren oder des retinalen Pigmentepithels. Eines der betroffenen Gene ist LCA5, welches das Protein Lebercilin codiert. Ist es mutiert oder wird nicht exprimiert, werden die äußeren Segmente von Photorezeptoren nicht korrekt ausgebildet, was ultimativ zur Erblindung führt. Wir konnten zeigen, dass eine Fehlfunktion des ziliären Transports bei der Entstehung der Krankheit eine Rolle spielt, die molekularen Mechanismen sind jedoch noch unklar. Neuere Ergebnisse weisen darauf hin, dass Lebercilin beim Abbau des Ziliums eine entscheidende Rolle spielt, es ist jedoch unklar, wie und ob dieser Mechanismus die Entstehung der Erkrankung beeinflusst. Ziel dieses Projekts ist es nun zu verstehen, ob der ziliäre Abbau bei der Entstehung der LCA eine Rolle spielt, und ob möglicherweise nicht nur die Fehlfunktion der Photorezeptoren sondern auch des Pigmentepithels entscheidend ist. Das Verständnis des zugrundeliegenden molekularen Mechanismus ist Voraussetzung für die Therapieentwicklung.

2.4.3 Eberhard-Karls-Universität Tübingen, , Department für Augenheilkunde, Universitätsaugenklinik, Dr. Jose Hurst: „Aktivierung neuroprotektiver Signalwege in der Retina mittels Aptamer“

Degenerationsprozesse der Retina, wie sie unter anderem bei der Retinitis Pigmentosa (RP) auftreten, resultieren meist in der Apoptose von Photorezeptoren und können bis zur Erblindung führen. Die Wachstumsfaktor-basierte Therapie ist ein vielfach untersuchter Ansatz, um eine Verlangsamung oder den Stillstand der Sehzelldegeneration zu erzielen. BDNF ist ein vielversprechender neurotropher Wachstumsfaktor, der seine Wirkung über die Aktivierung der TrkB-Signalkaskade entfaltet. Durch Einsatz eines bereits publizierten Aptamers, welches spezifisch an den TrkB-Rezeptor bindet, wollen wir den neuroprotektiven Effekt von BDNF imitieren und eine neue Therapieoption für retinale Erkrankungen entwickeln. TrkB Aktivierung mit dem Aptamer adressiert spezifisch die gewünschten Zellen und reduziert somit Nebenwirkungen, die bei der BDNF Therapie auftreten können. Ziel des durch die PRO RETINA-Stiftung geförderten Projektes war es, erste Daten über eine neuartige Therapieoption zur Behandlung retinaler Degenerationserkrankungen zu gewinnen, um damit einen DFG-Antrag zur weiteren Untersuchung zu stellen. Wir haben in dem Förderjahr sehr vielversprechende Daten erhalten und konnten belegen, dass das Aptamer ex-vivo keine Nebenwirkungen hervorruft, eine ausgezeichnete Adhäsion bis zu 48h an die Retina erfüllt und im Degenerationsmodell eine neuroprotektive Wirkung ausübt. Jedoch wurde der DFG-Antrag mit Bitte um Überarbeitung abgelehnt. Das Ziel ist es nun, die noch geforderten Daten zu generieren und den überarbeiteten DFG-Antrag erneut einzureichen. Dazu müssen wir die Überlegenheit des Aptamers im Vergleich zu BDNF demonstrieren (AP1) und die neuroprotektive Wirkung über einen längeren Zeitraum belegen. Letztere Ergebnisse konnten wir schon gewinnen und müssen nur eingepflegt werden.

2.4.4 Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Forschungsinstitut für Augenheilkunde Dr. Dragana Trifunovic: „HDAC- Inhibierung als neues Werkzeug für die Neuroprotektion von Zapfen-Photorezeptoren“

Die mutationsunabhängige sekundäre Zapfendegeneration, wie sie bei Retinitis Pigmentosa (RP) auftritt, ist ein Hauptfaktor für erblich bedingte Blindheit in der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter. RP-Patienten besuchen in der Regel erst dann Augenärzte, wenn die meisten Stäbchen bereits degeneriert sind und eine Zapfendegeneration begonnen hat. Aus klinischer Sicht ist es daher am wichtigsten, den sekundären Verlust der Zapfen zu stoppen, was das Potential hätte, bei Patienten mit RP ein nützliches Sehvermögen zu erhalten.Das Design neuartiger rationaler Therapien zur Verhinderung des Zapfensterbens erfordert ein fundiertes Wissen über die molekularen Prozesse, die zum Absterben der Zapfenzellen führen. Wir haben bereits gezeigt, dass sowohl die Primärstäbchen- als auch die Primärzapfendegeneration durch epigenetische Veränderungen reguliert werden, welche durch die übermäßige Aktivierung von Histondeacetylasen (HDACs) hervorgerufen werden. Unsere jüngsten Daten deuten darauf hin, dass auch die sekundäre Zapfendegeneration mit einer abnormalen HDAC-Aktivität in verschiedenen Mausmodellen für RP verbunden ist. Bemerkenswert ist, dass die pharmakologische Hemmung von HDACs die sekundäre Stäbchen-Zapfen-Degeneration ex vivo signifikant abmildern kann, unabhängig von der Anzahl der verbleibenden Zapfen zu Beginn der Behandlung. Diese Ergebnisse deuten auf eine einzigartige Möglichkeit des gezielten pharmakologischen Schutzes sowohl von primär degenerierenden Stäbchen als auch von mutationsfreien sekundär sterbenden Zapfen hin. Damit könnte möglicherweise das Sehvermögen von RP-Patienten unabhängig vom Krankheitsstadium erhalten werden. Angesichts der Möglichkeit, klinisch zugelassene HDAC-Inhibitoren zur Verhinderung der sekundären Zapfendegeneration in vivo in einem Tiermodell für die primäre Stäbchendegeneration einzusetzen und weiterzuentwickeln, streben wir die Entwicklung einer Mono- und Kombinationstherapie an, um den Verlust des von Zapfen-abhängigen menschlichen zentralen Sehvermögens zu stoppen oder zu verlangsamen.

2.4.5 Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Forschungsinstitut für AugenheilkundeProf. Dr. rer. nat Marius Ueffing, Dr. Blanca Arango-Gonzalez: „Rolle der VCP-Hemmung bei der autophagischen Prozessierung von fehlgefaltetem Rhodopsin“

Der Schwerpunkt unseres Projekts liegt auf dem Verständnis und der Wiederherstellung der Proteostase in Retinitis Pigmentosa (RP). Autophagie ist ein wichtiger intrazellulärer Prozess, der es ermöglicht, beschädigte oder falsch gefaltete Proteine zum Abbau an Lysosomen abzugeben. Entsprechend ist die Autophagie bzw. ihre Dysregulation an vielen neurodegenerativen Erkrankungen, einschließlich RP und altersbedingter Makuladegeneration (AMD), beteiligt, und es wird angenommen, dass ihre Modulation die Verlängerung der zellulären Lebensspanne unterstützt.Unsere bisherigen Untersuchungen legen nahe, dass die kombinierte Aktivität von ER-assoziiertem Proteinabbau (ERAD) und Autophagie für die Beseitigung von Rhodopsin mitverantwortlich ist, vor allem dann, wenn fehlgefaltetes Rhodopsin die molekulare Qualitätskontrolle nicht besteht. Unser Ziel ist es daher, die Rolle der Autophagie bei RP zu untersuchen und den Einfluss der VCP-Hemmung auf die Autophagie-Maschinerie zu bestimmen. Darauf aufbauend wollen wir zielgerichtet Wirkstoffe entwickeln, die in Zukunft eine pharmakologische Behandlung von Netzhautdegeneration über diesen Weg möglich machen sollen.

2.5. Forschungspreise

Der grundlagenwissenschaftliche Forschungspreis 2019 wurdeFrau Dr. rer. physiol. Karolina PlößlInstitut für Humangenetik der Universität Regensburgzuerkannt und zwar für vier miteinander verbundene Publikationen zum Thema „Molekulare Pathomechanismen der X-chromosomalen Retinoschisis (XLRS)“.
1.  Plössl K, Weber BHF, Friedrich U (2017) The X-linked juvenile retinoschisis protein retinoschisin is a novel regulator of mitogen-activated protein kinase signalling and apoptosis in the retina. J Cell Mol Med 21: 768–780. 2.  Plössl K, Royer M, Bernklau S, Tavraz NN, Friedrich T, Wild J, Weber BHF, Friedrich U (2017) Retinoschisin is linked to retinal Na/K-ATPase signaling and localization. Mol Biol Cell E17-01-0064. 3.  Plössl K, Schmid V, Straub K, Ammon M, Merkel R, Weber BHF, Friedrich U (2018) Pathomechanism of mutated and secreted retinoschisin in X-linked juvenile retinoschisis. Exp Eye Res 177:23-344.  Plössl K, Straub K, Schmid V, Strunz F, Wild J, Merkel R, Weber BHF, Friedrich U (2019) Identification of the Retinoschisin-binding site on the retinal Na/K-ATPase. PLOS ONE https://doi.org/10.1371/journal.pone.0216320
Frau Dr. rer. physiol Karolina Plößl hat in den letzten zwei Jahren diese vier aufeinander aufgebauten Arbeiten als Erstautorin in namhaften wissenschaftlichen Journalen veröffentlicht. Die Publikationen 1 und 2 befassen sich mit funktionellen Konsequenzen der Retinoschisin-Defizienz in der Netzhaut. Sie zeigen, dass bestimmte pathogene Varianten nicht mehr wie normales Retinoschisin über die Na/K-ATPase an retinale Membranen binden kann. Frau Dr. Plößl konnte eine spezifische Untereinheit definieren, die von essentieller Bedeutung für die Verankerung von Retinoschisin an die Plasmamembran ist. In der zweiten Arbeit konnte sie die Signalkaskaden, die zu dieser Retinoschisin-Defizienz führen, im MAPK-Signalweg lokalisieren und damit neue therapeutische Zielmoleküle für innovative Behandlungsansätze der XLRS definieren. In der Publikation 3 hat sie Expressionsstudien zu verschiedenen Retinoschisin-Varianten in HEK-Zellen durchgeführt, um die Membranbindung der netzhautspezifischen Na/K-ATPase zu verstehen und konnte in einem bioinformatischen Modell eine Discoidin-Domäne als Bindungsstelle hypothetisieren. In der Publikation 4 hat sie dies auf Aminosäureebene weiter differenziert, konnte damit die Hypothese der Arbeit 3 bekräftigen und zeigen, dass in beiden Interaktionspartnern sehr spezifische Aminosäureresiduen und bestimmte Bereiche von Proteindomänen für die Interaktion verantwortlich sind. Dies lässt darauf schließen, dass die Interaktion äußerst spezifisch und von großer physiologischer Bedeutung ist.  Zur Person der Preisträgerin:Frau Dr. Karolina Plößl hat 2008-2011 Biologie an der Universität Regensburg studiert. Das Masterstudium hat sie an der Universität Leicester (UK)  im Bereich Zell- und Entwicklungsbiologie, Biochemie und Humangenetik absolviert und eine experimentelle Masterarbeit am Institut für Humangenetik der Universität Regensburg (Betreuer Prof. Bernhard Weber) angefertigt. 2018 wurde sie zum Dr. rer. physiol. promoviert (summa cum laude) mit einer Dissertation “Studies on the interaction between retinoschisin and the retinal Na/K-ATPase – Towards elucidating the molecular pathomechanism of X-linked juvenile retinoschisis“ am Institut für Humangenetik der Universität Regensburg (Direktor Prof. Dr. Bernhard Weber). Derzeit  ist sie dort als Akademische Rätin tätig.  Sie hat 2017 einen Poster Award beim Pro Retina Research Colloquium in Potsdam erhalten, inzwischen 5 Originalarbeiten veröffentlicht und bei zahlreichen Konferenzen beigetragen. 

Der klinische Forschungspreis 2019 wurde Herrn Dr. med. Johannes BirtelUniversitätsaugenklinik Bonn zuerkannt und zwar für vier miteinander verbundene Publikationen zum Thema „Klinische und genetische Charakterisierung bei Patienten mit Retinitis Pigmentosa mit Stäbchen-, Zapfen-Stäbchen und Zapfendystrophien“
1.  Johannes Birtel, Martin Gliem, Akio Oishi, Philipp L. Müller, Philipp Herrmann, Frank G. Holz, Elisabeth Mangold, Michael Knapp, Hanno J. Bolz, Peter Charbel Issa. Genetic testing in patients with retinitis pigmentosa –features of unsolved cases. Clinical & Experimental Ophthalmology, 2019, epub ahead of print. doi.org/10.1111/ceo.13516.2.  Johannes Birtel, Martin Gliem, Elisabeth Mangold, Philipp L. Müller, Frank G. Holz, Christine Neuhaus, Steffen Lenzner, Diana Zahnleiter, Christian Betz, Tobias Eisenberger, Hanno J. Bolz, Peter Charbel Issa. Next-generation sequencing identifies unexpected genotype-phenotype correlations in patients with retinitis pigmentosa. PLoS One, 2018, 13:e0207958.3.  Johannes Birtel, Tobias Eisenberger, Martin Gliem, Philipp L. Müller, Philipp Herrmann, Christian Betz, Diana Zahnleiter, Christine Neuhaus, Steffen Lenzner, Frank G. Holz, Elisabeth Mangold, Hanno J. Bolz, Peter Charbel Issa. Clinical and genetic characteristics of 251 consecutive patients with macular and cone/cone-rod dystrophy. Scientific Report, 2018, 19;8:4824.4.  Johannes Birtel, Martin Gliem, Elisabeth Mangold, Lars Tebbe, Isabel Spier, Philipp L. Müller, Frank G. Holz, Christine Neuhaus, Uwe Wolfrum, Hanno J. Bolz, Peter Charbel Issa. Novel Insights Into the Phenotypical Spectrum of KIF11-Associated Retinopathy, Including a New Form of Retinal Ciliopathy. Investigative Ophthalmology & Visual Science, 2017, 58:3950-3959
Herr Dr. Birtel hat zusammen mit seinen Ko-Autoren durch präzise morphologische Beurteilung einzelner Netzhautstrukturen mit hochauflösenden bildgebenden Techniken neue Erkenntnisse über pathophysiologische Mechanismen gewonnen und diese durch gezieltes „next generation sequencing“ zusammen mit einer sehr hohen Detektionsrate (74%) mit molekulargenetischen Befunden korreliert. In umfassenden Untersuchungen bei insgesamt 116 Retinitis pigmentosa (RP) Patienten (Arbeit 1 & 2) sowie bei 251 Patienten mit Makula-und Zapfen/Zapfen-Stäbchen-Dystrophien (Arbeit 3) konnten zahlreiche Mutationen in unterschiedlichen Genen beschrieben werden, einschließlich vieler Varianten, die zum Zeitpunkt der Diagnostik noch nicht in der Literatur beschrieben worden waren. Dies erlaubte die Identifizierung von neuen oder ungewöhnlichen Genotyp-Phänotyp-Korrelationen: CRX, CEP290,RPGRIP1, MFSD8, PRPF31, PRPH2, CRX,RP2und RPGR bei RP-Patienten und FAM161A, INPP5E, MERTK, FBLN5, SEMA4A,IMPDH1, CRB1, DRAM2, KIF11, JAG1, POC1B, NPHP1und RPGR bei Makula -und Zapfen/Zapfen-Stäbchen-Dystrophien.Durch bestimmte morphologische Muster konnte Herr Dr. Birtel phänotypische Subgruppen bilden, die für eine erweiterte molekulargenetische Diagnostik (Whole-Exom- oder Whole-Genome Sequencing) geeignet waren. Dies gelang ihm auch bei Patienten mit Mutationen in KIF11, die zunächst anhand des ophthalmologischen Phänotyps identifiziert wurden, und bei denen schließlich KIF11 in Innensegmenten und Zilien von Photorezeptoren nachgewiesen werden konnten. Zur Person des Preisträgers:Herr Dr. med. Johannes Birtel hat in Münster Medizin studiert, 2017 eine experimentelle Promotion in der Medizinischen Mikrobiologie mit „summa cum laude“ abgelegt und betreut seit November 2014 als Assistenzarzt am Universitätsklinikum in Bonn (Universitätsaugenklinik, Prof. Dr. Frank G. Holz) Patienten mit hereditären Netzhauterkrankungen, führt als Studienarzt klinische Studien durch und engagiert sich intensiv in der klinischen Forschung. Von 2008 – 2014 hat er ein Stipendium des Begabtenförderwerks der Bundesrepublik Deutschland (Studienstiftung Cusanuswerk) erhalten und mit verschiedenen Auslandsstipendien in Japan, in der Schweiz und in Australien sowie der Harvard Medical School und an der Universität Basel seine Kenntnisse und Erfahrungen im Bereich der klinischen Forschung erweitert. Das Publikationsverzeichnis von Herrn Birtel weist 20 Publikationen auf, davon neun Erstautorenschaften, zumeist in hochrangigen internationalen Journalen sowie Kurzpublikationen von zahlreichen Vorträgen (in Verbindung mit Poster-Preisen).Mit seinen Leistungen gehört er zweifelsfrei zum hoffnungsvollsten wissenschaftlichen Nachwuchs im Bereich der klinisch experimentellen Forschung bei degenerativen Netzhauterkrankungen und deren Therapie. Die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft, die PRO RETINA, die Retina Swiss und der Wissenschaftlich Medizinische Beirat der PRO RETINA wünschen den Preisträgern bei ihren  wissenschaftlichen Arbeiten weiterhin besten Erfolg und gratulieren herzlich zu dieser Ehrung.(Laudationes verfasst von Prof. Dr. med. Eberhart Zrenner, Forschungsinstitut für Augenheilkunde der Universität Tübingen, Vorsitzender des Wissenschaftlich-Medizinischen Beirates der PRO RETINA)

2.6. Wiederbesetzung der Pro Retina Stiftungsprofessor in Bonn

Zum September 2019 trat Volker Busskamp die Pro Retina Stiftungsprofessur „Degenerative Netzhauterkrankungen“ an der Augenklinik des Universitätsklinikums Bonn an, die seit dem Weggang von Dr. Charbel Issa 2016 vacant geblieben war.  Nach seinem Studium der Biotechnologie an der TU Braunschweig und einem Forschungsaufenthalt in Genf, schloss sich Volker Busskamp 2007 der Arbeitsgruppe von Prof. Botond Roska am FMI in Basel an. Dort promovierte er 2010 mit dem Forschungsthema: Einfluss von regulatorischen RNA-Sequenzen im Lichtdetektionsprozess von Photorezeptoren. 2011 folgte ein Forschungsaufenthalt an der Harvard Medical School. Dr. Busskamp erforschte in Boston die effiziente Programmierung von menschlichen Stammzellen in Nervenzellen. 2014 schloss sich Volker Busskamp dem Exzellenzcluster „Zentrum für regenerative Therapien“ der TU Dresden an und baute seine unabhängige Nachwuchsgruppe auf, welche die gezielte Verschaltung von Nervenzellen zu Schaltkreisen sowie die Entschlüsselung von Genregulationskaskaden während der Neurogenese aus Stammzellen zum Ziel hatte.Im Rahmen seiner Professur in Bonn möchte Volker Busskamp innovative Therapien entwickeln, die degenerative Netzhauterkrankungen verlangsamen oder aufhalten sowie die Wiederherstellung des Sehens nach Erblindung ermöglichen sollen. Als Biotechnologe, Neurowissenschaftler und Stammzellforscher verstärkt er nicht nur den neurowissenschaftlichen Forschungsschwerpunkt, sondern mit seiner translationalen Forschung auch das Leitbild der Medizinischen Fakultät in Bonn. 

2.7. 14.Internationales PRO RETINA Forschungskolloquium in Potsdam

Von Dr. Maximilian Pfau

In diesem Jahr lag der Fokus des  Internationalen Forschungskolloquiums am 22. und 23. März auf den klinischen Hindernissen und Herausforderungen für innovative therapeutische Ansätze in der Behandlung erblicher Netzhauterkrankungen. Dem Organisationskomitee, zu dem Franz Badura und die Professoren Klaus Rüther, Olaf Strauß und Bernhard Weber zählten, war es gelungen, ein wissenschaftlich hochkarätiges Programm zusammenzustellen.

Keynote lecture

Das diesjährige Kolloquium (Tagungsmotto: „Expectations an Obstacles“) wurde mit einem Grußwort des Vorsitzenden der PRO RETINA-Stiftung Franz Badura eröffnet. Die Eröffnungssitzung bot gleich acht ausgewählten Nachwuchswissenschaftlern die Möglichkeit, ihre Arbeit einem breiten Publikum zu präsentieren – darunter auch die drei späteren Poster-Preisträgerinnen. Die Keynote lecture hielt Professor Rando Allikmets vom Harkness Eye Institute, Columbia University, New York. Der gebürtige Estländer berichtete über seinen Werdegang und seine frühen Arbeiten zu Tumorsuppressorgenen, Onkogenen und Multidrug-Resistenzgenen. Während dieser Zeit schuf er mehrere neue Methoden der Humangenomanalyse und klonierte und charakterisierte mehrere wichtige Krankheits- und Krebsgene aus der Superfamilie der ATP-Bindungskassette (ABC)-Transporter. Dies stellte die Grundlage für die Identifikation des ABCA4-Gens als krankheitsverursachendes Gen bei Morbus Stargardt im Jahr 1997 dar.

Herausforderungen der Diagnostik und Gentherapie

Die folgende Sitzung („Molecular diagnostics and gene therapy in retinal dystrophy“) beschäftigte sich mit den Fortschritten der molekulargenetischen Diagnostik als Grundlage der Gentherapie. Susanne Roosing, PhD (Radboudumc, Nijmwegen) ging detailliert auf die Herausforderung der modernen Verfahren zur beschleunigten Gensequenzierung ein. Dr. Susanne Kohl (Universitätsklinikum Tübingen, Forschungsinstitut für Augenheilkunde) berichtete über den aktuellen Stand der CNG3B-Gentherapiestudie für Achromatopsie. Alex Garanto, PhD (Radboudumc, Nijmwegen) präsentierte den innovativen Therapieansatz mit „antisense“ Oligonukleotiden am Beispiel der CEP290-assozierten Leber’schen Kongenitalen Amaurose.

Evening Lecture

Professorin Birgit Lorenz (Universitätsklinikum Gießen und Marburg), Expertin für pädiatrische Neuroophthalmologie, Strabologie, frühkindlichen Nystagmus sowie innovative Diagnostik und Funktionstestung für Netzhautdegenerationen, blickte auf die vergangenen drei Jahrzehnte zurück, die zur rezenten Zulassung von Luxturna für die RPE65-assoziierte Leber’schen Kongenitale Amaurose führten. Anhand der vielen überwundenen Hindernisse schilderte Professorin Lorenz den schwierigen Weg zur ersten zugelassenen ophthalmologischen Gentherapie. Dies lässt auf die klinische Translation weiterer, innovativer Gentherapie-Ansätze in näherer Zukunft hoffen.

Postersitzung und PRO RETINA-Poster Awards

Bei der im Anschluss folgenden „Swingin‘ Postersession“ konnten die jungen Nachwuchswissenschaftler ihre aktuellen Forschungsergebnisse präsentieren. Das einzigartige Format der Postersitzung, unterlegt mit Live-Musik, ermöglichte den fokussierten, jedoch gleichzeitig völlig ungezwungenen Austausch zwischen den teilnehmenden Nachwuchswissenschaftlern und erfahrenen Professoren – eine Atmosphäre, die für ophthalmologische Kongresse im deutschsprachigen Raum einzigartig ist. Auch Franz Badura griff im Jazz-Quartett selbst zur Trompete und brillierte mit seinen musikalischen Fähigkeiten. Im regen Austausch konnten eine Vielzahl an neuen Ideen generiert sowie gemeinsame Anknüpfungspunkte für zukünftige Kooperationen gefunden werden. Im Rahmen der „Swingin‘ Postersession“ wählte die Fachjury final die drei Arbeiten für die PRO RETINA- Poster Awards aus. Alle drei gingen dieses Jahr an Preisträgerinnen.Blanca Arango-Gonzalez (Universitätsklinikum Tübingen, Forschungsinstitut für Augenheilkunde, Arbeitsgruppe Ueffing) konnte nachweisen, dass die Inhibition der ATPase VCP die Photorezeptordegeneration in einem Netzhautmodell für Retinitis pigmentosa vermindern kann. Sylvia Gasparini (Zentrum für Regenerative Therapien Dresden, Arbeitsgruppe Ader) beschrieb eine Methodik zur Anreicherung und Transplantation von Zapfen-Photorezeptoren, die bereits im Mausmodell erprobt werden konnte. Ana Maria Quintela Pousa (Universität Bern, Arbeitsgruppe Enzmann) untersuche die Reaktivität von Müllerzellen in Abwesenheit von Immunzellen im Zebrafisch-Tiermodell. Es gelang ihr, nachzuweisen, dass die Aktivierung von Müllerzellen in immunsupprimierten Zebrafischen beeinträchtigt ist. 

Retina-Chips und Optogenetik

Während in den Sitzungen am Freitag vor allem Therapieansätze bei noch vorhandener funktioneller Netzhaut im Vordergrund standen, ging es am Samstagmorgen in der Sitzung „Retina-Chips and Optogenetics“ um innovative Therapieansätze zur Behandlung von Spätstadien degenerativer Netzhauterkrankungen. Privatdozentin Dr. Katarina Stingl (Universitätsklinikum Tübingen) ging hierbei auf den aktuellen Stand von „Retina-Chips“ ein. Daniel Rathbun, PHD (Henry Ford Health System, Detroit) zeigte im folgenden Vortrag auf, welche weiteren Optimierungsmöglichkeiten prinzipiell für die nächste Generation von „Retina-Chips“ zur Verfügung stehen. Dr. Volker Bußkamp (Zentrum für Regenerative Therapien Dresden) referierte über die Optogenetik als weiteres innovatives Verfahren.

Zellersatz-Therapie

Die abschließende Sitzung („Cell substitution in retinal dystrophy“) befasste sich mit Möglichkeiten des Ersatzes von retinalen Zellen zur Therapie von Netzhauterkrankungen. Professor Henry Klassen (Gavin Herbert Eye Institute, UC Irvine) präsentierte den aktuellen Stand für eine Phase IIb Studie für Retinitis Pigmentosa. Das Team um Professor Klassen injiziert retinale progenitor Zellen in den Glaskörperraum. Marius Ader (Zentrum für Regenerative Therapien Dresden) ging detailliert auf die Möglichkeiten der Transplantation von Photorezeptorzellen ein und präsentierte eigene Daten zu Anreicherung und Transplantation in Tiermodellen. Privatdozent Dr. med. Boris Stanzel (Augenklinik Saar und Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT) präsentierte zum Abschluss den derzeitigen Stand in der Entwicklung eines Pigmentepitheltransplantats gewonnen aus induzierten pluripotenten Stammzellen zur Therapie der altersabhängigen Makula-Degeneration. Die besondere Atmosphäre am ruhig gelegenen Templiner See ermöglichte in einzigartiger Weise den fokussierten Austausch zwischen den teilnehmenden Nachwuchswissenschaftlern sowie den hochkarätigen nationalen und internationalen Experten auf diesem Gebiet. Sowohl die Vorträge als auch die zahlreichen Posterbeiträge zeigten viele innovative Ansätze auf, die – trotz aller Herausforderungen – auf klinisch relevante Ergebnisse der transnationalen Forschung in den kommenden Jahren hoffen lassen.Der Autor Dr. med. Maximilian Pfau ist klinischer Wissenschaftler und Nachwuchsgruppenleiter an der Universitätsaugenklinik Bonn.



März 2020

Der Vorstand

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