Klinische Studien sind ein zentraler Bestandteil der ophthalmologischen Forschung und spielen eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung neuer Therapien für Netzhauterkrankungen. Augenärztinnen und Augenärzte in Universitäten und Kliniken in Deutschland forschen intensiv an der Wirksamkeit von Medikamenten und Therapien. Dieser Beitrag richtet sich an Menschen mit fortschreitendem Sehverlust durch Netzhauterkrankungen und bietet einen Überblick über klinische Studien, deren Ablauf und Teilnahmebedingungen.
Was ist eine Klinische Studie?
Klinische Studien prüfen die Wirksamkeit, Verträglichkeit und Sicherheit neuer Behandlungsmethoden und auch in selteneren Fällen neue diagnostische Verfahren.
Dies können Medikamente, Impfstoffe oder Medizinprodukte sein. Oft werden auch verschiedene Behandlungsverfahren verglichen, um die beste Option zu identifizieren. Besonders bei Netzhauterkrankungen sind solche Studien von großer Bedeutung, da es häufig noch keine wirksamen Medikamente gibt.
Ablauf Klinischer Studien
Neue Behandlungsmethoden werden zunächst im Labor und an Tieren getestet. Erweisen sie sich dort als sicher, erfolgt die Anwendung an Menschen. Jede Studie muss von einer Ethik-Kommission genehmigt werden. Diese besteht aus Fachleuten aus verschiedenen Bereichen, darunter Medizin, Ethik und Patientenvertretungen, und prüft die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben zum Schutz der Teilnehmenden.
Vorteile und Nachteile einer Teilnahme
Vorteile:
- Zugang zu neuen Behandlungsmethoden
- Intensive Überwachung und Betreuung durch Ärztinnen und Ärzte während der Studie
- Beitrag zur Entwicklung sicherer und wirksamer Behandlungen
Nachteile:
- Neue Behandlung kann weniger wirksam sein oder keine Wirkung haben
- Unvorhersehbare Nebenwirkungen sind möglich
- Möglichkeit, ein Scheinmedikament zu erhalten
- Regelmäßige Arzttermine sind erforderlich
Wichtige Informationen zur Studienteilnahme
- Aufklärung: Ihre Ärztin oder Ihr Arzt muss Sie mündlich und schriftlich über Nutzen und Risiken informieren. Ihr schriftliches Einverständnis ist Voraussetzung für die Teilnahme.
- Versicherung: Sie müssen gegen mögliche gesundheitliche Schäden versichert sein.
- Freiwilligkeit: Ihre Teilnahme ist freiwillig und kann jederzeit ohne Angabe von Gründen abgebrochen werden, ohne dass Ihnen Nachteile entstehen.
Veröffentlichung der Ergebnisse
Klinische Studien sind teuer und oft von Herstellerfirmen finanziert. Unerwünschte Ergebnisse werden manchmal nicht veröffentlicht, was zu falschen Einschätzungen der Wirksamkeit führen kann. Daher ist es wichtig, dass Studienergebnisse veröffentlicht werden, um fundierte Entscheidungen über Behandlungen zu ermöglichen.
Was Sie selbst tun können
Um die Qualität und Veröffentlichung von Studien zu fördern, achten Sie darauf, dass:
- Die Studie in einem öffentlichen Studienregister eingetragen ist
- Ihnen schriftlich bestätigt wird, dass die Ergebnisse veröffentlicht werden
- Das Studienprotokoll öffentlich zugänglich ist
- Die Studienfrage auf vorhandenem Wissen basiert
Fragen, die Sie stellen können
- Welches Ziel hat die Studie?
- Was ist über die neue Methode bekannt?
- Wer finanziert die Studie?
- Was muss ich während der Teilnahme beachten?
- Wie viel Zeit muss ich einplanen?
- Wen kann ich bei Fragen oder Nebenwirkungen kontaktieren?
- Erhalte ich meine Befunde?
- Wie werden meine Daten geschützt?
Grundsätze der ICH-GCP-Leitlinie
Klinische Studien müssen ethischen Grundsätzen folgen, wie den Vorgaben der Deklaration von Helsinki und der Guten Klinischen Praxis (GCP). Diese Leitlinien stellen sicher, dass die Rechte, Sicherheit und das Wohlbefinden der Studienteilnehmenden gewahrt bleiben und die Studien wissenschaftlich fundiert sind.
Übersicht zu Typen und Phasen:
Klinische Studien sind systematische Untersuchungen, die in mehreren Phasen ablaufen, um die Sicherheit, Verträglichkeit und Wirksamkeit neuer Behandlungsmethoden zu bewerten.
Verschiedene Phasen: Zunächst wird die Verträglichkeit und Wirkungsweise neuer Methoden an gesunden Freiwilligen erforscht. Erst danach wird die Wirksamkeit der neuen Behandlung an erkrankten Personen untersucht. Dies erfolgt in sogenannten verblindeten Studien, bei denen die Teilnehmenden nicht wissen, ob sie den neuen Wirkstoff oder ein Placebo erhalten. Dies soll verhindern, dass Suggestionseffekte die Ergebnisse verfälschen.
Zwei Studientypen:
- Nicht-interventionelle Studien: Beobachtungsstudien, bei denen keine aktive Behandlung vorgenommen wird. Diese Studien dienen der Beobachtung des natürlichen Krankheitsverlaufs und der Anwendung bestehender Therapien ohne Eingreifen.
- Interventionelle Studien: Bei interventionellen Studien handelt es sich in der Regel um Therapiestudien. Hierbei wird eine aktive Form der Behandlung, wie die Einnahme eines neuen Arzneimittels, getestet. In Interventionsstudien wird nicht ausschließlich nur gegen Placebo verglichen, sondern ggf. auch gegenüber einer schon etablierten Standardtherapie, sofern diese vorhanden ist.
Diese Studien durchlaufen vier Phasen:
- Phase I: Untersuchung der Verträglichkeit an gesunden Freiwilligen.
- Phase II: Prüfung der Wirksamkeit und Bestimmung der optimalen Dosierung bei betroffenen Patientinnen und Patienten.
- Phase III: Bestätigung der Wirksamkeit und Erfassung seltener Nebenwirkungen bei einer größeren Patientengruppe. In Phase III-Studien sollen in der Regel zu einer Zulassung führen. Hier stellt, zumindest im Arzeneimittelbereich, der Studientyp der „randomisierten kontrollierten Studie“ (RCT) den Goldstandard dar.
- Phase IV: Überwachung der Langzeitverträglichkeit nach der Zulassung, insbesondere in Kombination mit anderen Medikamenten und bei Patientinnen und Patienten mit Begleiterkrankungen.
Besonderheiten bei seltenen Augenerkrankungen: Da bei seltenen Augenerkrankungen oft weniger Patientinnen und Patienten zur Verfügung stehen, sind die Phasen II und III besonders herausfordernd. Hier wird die Wirksamkeit und optimale Dosierung sorgfältig geprüft und seltene Nebenwirkungen identifiziert.
Verblindete Studien:
Um Verfälschungen der Ergebnisse durch psychologische Einflüsse zu vermeiden, wissen die Teilnehmenden in verblindeten Studien nicht, ob sie das neue Medikament oder ein Placebo erhalten. Bei Doppelblindstudien kennen weder die Teilnehmenden noch die Studienleiterinnen und -leiter die Gruppenzugehörigkeit. Dies minimiert unbewusste Verzerrungen der Studienergebnisse und erhöht die Zuverlässigkeit der Daten.
Präklinischen Forschung
Gerade in sehr frühen Studienphasen kann es sein, dass Tierversuche unverzichtbar sind, um die Sicherheit und Wirksamkeit neuer Behandlungsmethoden zu bewerten. Sie liefern wichtige Erkenntnisse über komplexe biologische Systeme und ermöglichen die Identifizierung potenzieller Risiken und unerwünschter Wirkungen. Es gelten strenge ethische und gesetzliche Richtlinien.
In der Augenheilkunde werden auch Tiermodelle verwendet, um den Kampf gegen Erblindung voranzutreiben. Diese Modelle ermöglichen es Forschenden, die zugrunde liegenden Mechanismen von Augenerkrankungen zu studieren und neue Behandlungsansätze zu entwickeln. Durch die Forschung können wichtige Einblicke gewonnen werden, die letztendlich zur Prävention und Behandlung von Erblindung beim Menschen führen können.
Zusammenfassung:
Durch die Teilnahme an klinischen Studien leisten Patientinnen und Patienten einen wertvollen Beitrag zur medizinischen Forschung und zur Verbesserung der Behandlungsmöglichkeiten bei Netzhauterkrankungen. Der strukturierte Ablauf und die Einhaltung hoher ethischer Standards gewährleisten die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Ergebnisse.
Fazit
Klinische Studien sind entscheidend für die Entwicklung neuer Behandlungen für Netzhauterkrankungen. Durch Ihre Teilnahme leisten Sie einen wertvollen Beitrag zur medizinischen Forschung und zur Verbesserung der Behandlungsmöglichkeiten. Wenn Sie Fragen haben oder weitere Informationen benötigen, sprechen Sie uns gerne an.
Es gibt verschiedene Verzeichnisse, in denen klinische Studien veröffentlicht werden.
Die Kollegen von der Stiftung Fighting Blindness in USA erstellen regelmäßig eine Übersicht über klinische Studien in der Netzhautforschung.
Die Stiftung ist die weltweit führende private Finanzierungsquelle für die Forschung zur Behandlung, Vorbeugung und Heilung degenerativer Netzhauterkrankungen. Viele der dort genannten Studien wurden durch die Unterstützung der Stiftung ermöglicht.
Die Informationen werden vierteljährlich aktualisiert. Einige der aufgeführten Studien wurden möglicherweise pausiert und/oder die Sponsoren suchen Partner, um ihre Studien fortzusetzen.
https://www.fightingblindness.org/clinical-trial-pipeline
Um mehr über alle laufenden klinischen Studien zu erblichen Netzhauterkrankungen zu erfahren, besuchen Sie www.ClinicalTrials.gov.
Die Website enthält umfassende Informationen (in englischer Sprache) zu relevanten Studien, einschließlich Kontaktdaten.
Das EU-Register für klinische Prüfungen bietet Informationen über Studien in der EU und im EWR.
Zur Übersicht: https://euclinicaltrials.eu/about-this-website/?lang=de
Weiterführende Informationen und Quellen:
https://data.europa.eu/data/datasets/european-union-clinical-trials-register?locale=de
www.vfa.de/de/arzneimittel-forschung/so-funktioniert-pharmaforschung/so-entsteht-ein-medikament.html
www.vfa.de/de/patienten/patienten-klinische-studien/klinische-studien.html/_2-was-fuer-studien-mit-medikamenten-gibt-es
https://toolbox.eupati.eu/resources/genehmigung-klinischer-studien-in-europa/?lang=de
https://www.bfarm.de/DE/Das-BfArM/Aufgaben/Deutsches-Register-Klinischer-Studien/_node.html
Für alle, die an der Studie teilnehmen möchten, hier 5 wichtige Informationen;
1. Sie können jederzeit Ihre Teilnahme an der Studie beenden, ohne dass Ihnen Nachteile entstehen. Sie müssen dafür keinen Grund angeben.
2. Stellen Sie sicher, dass die Ethik-Kommission die Studie genehmigt hat.
3. Sie sollten eine schriftliche Patientenaufklärung über die Studie erhalten haben und alle Ihre Fragen mit ausreichend viel Zeit mit den Studienärzten besprechen, bis Sie alles verstanden haben.
4. Es sollte geklärt sein, dass die Kosten für Reisen, Übernachtungen und notwendige Begleitpersonen übernommen werden, auch wenn unerwartete Komplikationen auftreten.
5. Sie sollten wissen, ob und wie Sie über die Ergebnisse der Studie informiert werden.
Wenn Sie Fragen haben, kontaktieren Sie uns bitte.