Stiftungsprofessuren bilden Brücken

Ein Augen-Messgerät

Die Pro Retina – Stiftung zur Verhütung von Blindheit will dazu beitragen, dass Patientinnen und Patienten mit degenerativen Netzhauterkrankungen schneller von neuen, innovativen Möglichkeiten in der Diagnostik und Behandlung ihrer Erkrankungen profitieren.

Bei neuen Therapien wird aber leider immer wieder festgestellt, dass bestimmte biologische neuro-degenerative Prozesse in der Netzhaut, die zur Erblindung führen, noch zu wenig in der Tiefe verstanden werden und deswegen die Therapien teilweise nicht erfolgreich sind oder nicht in die Kassenerstattung gelangen. Da es sich um seltene Erkrankungen handelt, für die ein finanzieller Erfolg durch die Vermarktung einer Therapie eher nicht zu erwarten ist, ist eine kommerzielle Förderung der Forschung für Geldgeber aus finanzieller Sicht uninteressant. Und wo kein Geld ist, ist es auch für Nachwuchswissenschaftler schwierig, sich für die Forschung einzusetzen.
Diese Lücke schließt die Pro-Retina-Stiftung durch die Einrichtung von Stiftungsprofessuren.

Die Pro Retina – Stiftung hat im Jahre 2010 zwei Stiftungsprofessuren mit dem Schwerpunkt Netzhautforschung errichtet. Und darüber hinaus schlägt damit eine Patientenstiftung erstmals eine festgefügte Brücke zwischen Hochschule und Patienten. Ein außerordentlich erfolgreicher Anfang ist also gemacht.
Durch Spenden, Erbschaften und Zustiftungen könnte die Pro Retina-Stiftung weitere Stiftungsprofessuren finanzieren.

Nach einem bundesweiten Ausschreibungs- und Bewerbungsverfahren entschied sich die Pro Retina – Stiftung für die Etablierung je einer W2-Stiftungsprofessur am Institut der Humangenetik der Universität Regensburg unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. Bernhard Weber und eine zweite an der Universitätsaugenklinik Bonn unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. Frank Holz.

Die Stiftung zur Verhütung von Blindheit hat sich verpflichtet für fünf Jahre die Finanzierung der beiden Stiftungsprofessuren zu übernehmen. Die Hochschulen dagegen verpflichten sich nach Ablauf der fünf Jahre die Stiftungsprofessoren in die Hochschule auf dauerhaften Positionen zu übernehmen. Diese enorme finanzielle Anstrengung für die Stiftung von insgesamt fast 1 Million € war nur möglich durch die Spenden von Mitgliedern der PRO RETINA Deutschland e.V., sowie Spenden von Förderern direkt an die Stiftung zur Verhütung von Blindheit. Insbesondere aber auch durch Zuwendungen anderer Stiftungen wie z.B. der Horst und Eva Luise Köhler Stiftung und der Ernst- und Berta-Grimmke-Stiftung und einer weiteren großen namentlich nicht genannt werdend wollenden Stiftung.

Erste Stiftungsprofessur in Regensburg

Inhaber der ersten Stiftungsprofessur war von Dezember 2010 bis April 2012 Prof. Dr. Thomas Langmann. Nach seinem Studium der Biologie in Regensburg promovierte er im Jahr 1998 und wurde im darauffolgenden Jahr DFG- Stipendiat am Harvard Institute of Medicine in Boston. Nach seiner Habilitation lehrte er seit 2006 als Hochschuldozent am Institut für Humangenetik der Universität Regensburg (Direktor Prof. Dr. Bernhard Weber), eine international anerkannte Einrichtung zur Erforschung genetischer und zellbiologischer Grundlagen erblicher Netzhauterkrankungen. Das Institut ist ebenso federführend und bundesweites Referenzzentrum für die humangenetische Diagnostik dieser seltenen Erbkrankheiten.

Im Rahmen seiner Forschungsarbeiten konnte das Team nachweisen, dass das Immunsystem beim Absterben von Sehzellen dauerhaft aktiviert ist und Fresszellen überaktiv sind.

Ziel der Wissenschaftler ist eine auf immunologischen Strategien basierende Netzhaut-Therapie zur Erhaltung der Sehkraft. Sie denken dabei in drei Richtungen: Zum einen an den Einsatz von sogenannten Immunsuppressiva, Medikamente, welche die Aktivität des Immunsystems unterdrücken. »Diese könnten beispielsweise direkt ins Auge gespritzt werden«, erklärte Langmann. Zweitens arbeiten die Forscher an Substanzen, die Entzündungen hemmen und die Degeneration von Nervenzellen verhindern können. Langmann: »Dazu gehören etwa die Omega 3-Fettsäuren.« Ebenso verfolgen die Regensburger Forscher die Spur immundämpfender Substanzen, welche von bestimmten Zellen im Nervensystem, den sogenannten Mikroglia-Zellen, gebildet werden, um eine Immunreaktion wieder zu stoppen. Die Funktion von Mikroglia in der Netzhaut war lange Zeit wenig verstanden und so wurden diese Zellen als reine „Müllschlucker“ von Zelltrümmern in der Retina kaum beachtet. Mit zunehmender Charakterisierung dieser Zellen in unserem Labor, besonders auch durch die Untersuchung genetisch-veränderter Mäuse zeigten sich eine ganze Reihe von bemerkenswerten Funktionen. So üben Mikrogliazellen eine wichtige Vermittlerrolle bei der Produktion von Überlebensfaktoren für Sehzellen oder der Wachstumskontrolle des retinalen Gefäßsystems aus. Diese positiven regulierenden Eigenschaften von Mikroglia scheinen bei Netzhautdystrophien zugunsten einer überschießenden Entzündungsreaktion verloren zu gehen.

Die Arbeitsgruppe führt diese, durch die Pro Retina – Stiftung initiierten Forschungsarbeiten, ab April 2012 am neu gegründeten Lehrstuhl für Experimentelle Immunologie des Auges an der Kölner Universitäts-Augenklinik fort. Damit nähert sich das Team noch mehr dem klinischen Umfeld und kann die Forschung noch gezielter am Patienten ausrichten. Bei seinem Abschied aus Regensburg bedankte sich Prof. Dr. Thomas Langmann: „Die Pro Retina – Stiftung hat mit der Einrichtung ihrer ersten Stiftungsprofessur in Regensburg den Grundstein gelegt, um das Feld der Entzündungsforschung im Bereich der Netzhaut nachhaltig zu fördern. Ich möchte mich dafür bei allen Mitgliedern der PRO RETINA und der Stiftung von Herzen bedanken.“

Die Stiftungsprofessur in Regensburg wurde nach einem sehr zügig durchgeführten Berufungsverfahren und abschließenden Berufungsverhandlungen Ende März 2012 mit der Berufung von Prof. Dr. Antje Grosche neu besetzt.

Ihr wissenschaftliches Engagement konzentriert sich auf Fragestellungen rund um die Erforschung der Funktion von Müllerzellen (dem dominierenden Gliazelltyp) in der gesunden und kranken Netzhaut. Dabei arbeitet Prof. Grosche derzeit an der Etablierung spezifischer Methoden, um die Veränderungen von Müllerzellen in verschiedenen Krankheitsmodellen (AMD, RP) aufzuklären und somit Ansatzpunkte für gentherapeutische und andere therapeutische Interventionen zu identifizieren.

Im November 2016 endete die Stiftungsprofessur von Frau Prof. Antje Grosche. Seit ihrer Promotion konzentrierte sich ihr wissenschaftliches Arbeiten auf Fragestellungen rund um die Erforschung der Funktion von Müllerzellen (dem dominierenden Gliazelltyp) in der gesunden und kranken Netzhaut. Müllergliastellen neben den Nervenzellen eine der wichtigsten Zellarten in der Netzhaut dar. Aufgrund ihrer besonderen Zellform – sie durchspannen die gesamte Dicke der Netzhaut und bilden hochspezialisierte Zellfortsätze – nehmen Müllerzellen funktionell eine zentrale Position in der Netzhaut ein. Müllerzellen reagieren auf jede Form der Netzhautschädigung mit vielen verschiedenen Veränderungen ihrer Zelleigenschaften. Unklar ist, in welchem Maß diese Veränderungen der Müllerzellen zum Fortschreiten oder gar zum Auslösen verschiedener Netzhauterkrankungen wie der Altersbedingten Makuladegeneration (AMD) oder der Retinitis Pigmentosa (RP) beitragen.

Infolgedessen arbeiteten Frau Prof. Grosche und ihr Team an der Etablierung spezifischer Methoden, um die Veränderungen von Müllerzellen in verschiedenen Krankheitsmodellen (AMD, RP) aufzuklären und somit Ansatzpunkte für gentherapeutische Anwendungen zu identifizieren.

Zum Abschluss bedankt sich Frau Prof. Dr. Antje Grosche mit folgenden Worten:
„Abschließend möchte ich an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, der Pro Retina – Stiftung zur Verhütung von Blindheit meinen ausdrücklichen Dank für das in mich gesetzte Vertrauen auszusprechen. Der Schritt, sich den Herausforderungen der Professur so frei in meiner Karriere zu stellen, war spannend, unglaublich lehrreich und erfolgreich zugleich. So kann ich rückblickend festhalten, dass die Berufung auf die Pro Retina – Stiftungsprofessur meinen Traum, dauerhaft in der akademischen Forschung wirken zu können und meinen Beitrag zur Therapieentwicklung von Netzhauterkrankungen zu leisten, möglich gemacht hat. Unabhängig von meinem weiteren beruflichen Werdegang werde ich dieses große Ziel immer verfolgen und mich somit auch über den Zeitraum als Pro Retina – Stiftungsprofessorin hinaus ganz in ihrem Sinne engagieren.“

Zweite Stiftungsprofessur in Bonn

Im Januar 2012 trat Herr Prof. Dr. Peter Charbel Issa die zweite Stiftungsprofessur der Pro Retina – Stiftung zur Verhütung von Blindheit an.

Prof. Charbel Issa studierte Medizin in Freiburg, Jena, und London. Die Facharztausbildung an den Universitäts-Augenkliniken Bonn und Würzburg beendete er neben der Facharztprüfung mit europäischen und internationalen Fach-Examina und habilitierte sich 2010 im Fach Augenheilkunde. Zuletzt absolvierte er einen zweieinhalb-jährigen Forschungsaufenthalt am Nuffield Laboratory of Ophthalmology an der Universität Oxford, wo er sich u.a. mit der Untersuchung von Tiermodellen für retinale Degenerationen und der Evaluierung neuer Therapieansätze beschäftigte.

Bei der feierlichen Amtseinführung im Mai 2012 sprach Eva Luise Köhler, die Ehefrau des früheren Bundespräsidenten, als Schirmherrin der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen e.V. (ACHSE) zum Thema „Bessere Wege finden für Menschen mit seltenen Erkrankungen“. Ein klinischer Schwerpunkt der Tätigkeit an der Universitäts-Augenklinik Bonn liegt in der Betreuung einer Spezialsprechstunde für erbliche Netzhautdystrophien. Wissenschaftlich beschäftigt sich Prof. Dr. Charbel Issa mit der verbesserten Beschreibung degenerativer Netzhauterkrankungen und deren natürlichen Verlaufs („Phänotypisierung“), was eine Grundlage für die Beurteilung zukünftiger Therapien ist. Außerdem soll die translationale Forschung einen wichtigen Platz einnehmen, also die Übertragung neuer Therapieansätze in klinische Studien.

Im Juli 2014 wurde ihm von der Universität Oxford für seine experimentellen Arbeiten zur ABCA4-assoziierten Retinopathie und zu neuen therapeutischen Ansätzen für diese häufigste Form einer monogenetisch bedingten Netzhauterkrankung der Doctor of Philosophy (DPhil) verliehen.

„Die gute Zusammenarbeit mit der Stiftung gestaltet sich mittlerweile sehr vielschichtig und erstreckt sich von der parallel zu unserer Spezialsprechstunde laufenden Beratungs-Sprechstunde der PRO RETINA bis hin zum Gedankenaustausch beim Kongress in Potsdam oder im Rahmen des Arbeitskreises „Klinische Fragen‘“.

Nach dem Weggang von Professor Charbel-Issa hat der international renommierte Wissenschaftler Volker Busskamp die Professur für Degenerative Netzhauterkrankungen an der Universitäts-Augenklinik Bonn angetreten.
Professor Busskamp erforscht innovative Ansätze und entwickelt Zukunftskonzepte, wie sich Blindheit verhindern lässt. „Ich freue mich auf meine neuen Aufgaben und die Einbindung in den Forschungsstandort und die Exzellenzuniversität Bonn“, so Busskamp. Das interdisziplinäre Umfeld, insbesondere die Kollegen und Studenten, die bereits vorhandene und die geplante Infrastruktur sowie die internationale Wahrnehmung seien hervorragend, sodass sein internationales Team translationale Forschungsvorhaben effizient umsetzen könne. „Die direkte Einbindung in die Augenklinik ist ein riesiger Vorteil und eine hohe Motivation, aus experimenteller Forschung neue Therapien gegen Blindheit zu verwirklichen“, sagt der neu berufene Professor.

Seine Forschung konzentriert sich auf Photorezeptoren. Das sind Sinneszellen der Netzhaut, die Licht in elektrochemische Signale umschreiben. Diese Reize werden weiterverarbeitet und ermöglichen unser Sehen. Hochspezialisierte Photorezeptoren haben spezielle Antennen, sogenannte „Äußere Segmente“, welche sehr fragil sind, und bei vielen Erkrankungen des Auges als Erstes absterben. Busskamp befasst sich damit, wie die Struktur und Funktion solcher Photorezeptorzellen durch Genregulation und Optogenetik geschützt sowie wiederhergestellt werden können.

In seiner optogenetischen Forschung schleust der Wissenschaftler lichtsensitive Proteine aus Algen, Pilzen oder Bakterien in Netzhautzellen ein, um sie wieder lichtsensitiv zu machen. „Dieser Ansatz befindet sich bereits in der klinischen Erprobung“, sagt Busskamp. Wenn Photorezeptoren vollständig degeneriert sind, können Zellersatztherapien zum Einsatz kommen. Hierzu zeigt der Wissenschaftler neue Wege auf, wie sich Photorezeptoren aus Stammzellen hocheffizient gewinnen lassen. Um Mutationen zu korrigieren, die zur Degeneration von Photorezeptoren führen, arbeitet Volker Busskamp außerdem daran, Genscheren gezielt und effektiv einzusetzen.

Busskamp ist Diplom-Biotechnologe und hat an der TU Braunschweig, der Universität Genf und der Universität Basel studiert. 2010 promovierte er im Labor von Professor Botond Roska am Friedrich-Miescher-Institut in Basel und schloss sich anschließend der Arbeitsgruppe von Professor George Church an der Harvard Medical School in Boston an. Als Freigeist-Fellow der VolkswagenStiftung baute er ab 2014 erfolgreich seine Nachwuchsgruppe am Zentrum für Regenerative Therapien der TU Dresden auf, bevor er an die Augenklinik der Universität Bonn berufen wurde. Seine Forschung ist in renommierten Journalen veröffentlicht. Der Wissenschaftler hat zahlreiche Forschungspreise und Auszeichnungen erhalten, so zum Beispiel den Paul-Ehrlich- und Ludwig-Darmstaedter-Nachwuchspreis 2017 und einen ERC Starting Grant mit einer Fördersumme von 1,5 Millionen Euro.

„Wir freuen uns, mit Professor Busskamp einen international renommierten Wissenschaftler gewonnen zu haben“, sagt Professor Frank G. Holz, Direktor der Universitäts-Augenklinik. „Seine präventiven Ansätze, die Optogenetik und Zellersatztherapien sind sehr erfolgversprechende translationale Konzepte, von denen unsere Patienten hoffentlich bald profitieren können.“

Leuchtturmprojekte in der Forschungsförderung

Die Pro Retina – Stiftung zur Verhütung von Blindheit hat mit der Errichtung der beiden Stiftungsprofessuren zwei Leuchtturmprojekte initiiert, die sich thematisch ergänzen. In Regensburg wurde insbesondere die Grundlagenforschung, in Bonn die klinische Forschung als Schwerpunkt gewählt. Das anspruchsvolle Projekt Stiftungsprofessuren zu finanzieren könnte in der Zukunft für die Pro Retina – Stiftung zur Verhütung von Blindheit ein Meilenstein der Netzhautforschung werden.

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